Modellprojekt Flächenmanagement in interkommunaler Zusammenarbeit (FLIZ)

Projektlaufzeit: 13.06.2007 - 01.12.2008

Anlass

Die Zukunft der Siedlungsentwicklung liegt vorrangig im Bestand. Die Ursachen sind vielfältig und finden sich z.B. in der veränderten demografische Entwicklung oder dem städtebaulichen Erscheinungsbild in vielen Ortskernen. Zunehmend sind Leerstände und ungenutzte Scheunenareale erkennbar. Die Landwirtschaft zieht sich aus den Orten zurück, es bleibt die typisch bauliche Struktur aus Zwei-und Dreiseithöfen, die im Oberen Werntal prägend ist. 

Knappe kommunale Finanzen sowie der Umwelt- und Ressourcenschutz sind weitere Argumente für eine aktive Innenentwicklung. Es gilt konsequent und systematisch die - oft im beträchtlichem Umfang vorhandenen Potenziale im Bestand wie Baulücken, Althofstellen oder Brachflächen zu nutzen. Insgesamt kommt damit dem qualifizierten Management der Flächen und Gebäude im Bestand eine größere Bedeutung zu als der weiteren Ausdehnung der Siedlungsflächen.

Die genaue Kenntnis zu Quantität, Qualität und Aktivierungsmöglichkeit der innerörtlichen Baulandpotenziale eröffnet den Kommunen einen neuen Handlungsspielraum für eine werterhaltende und nachhaltige Siedlungsentwicklungspoltitk. Ausschlaggebend für den Erfolg einer aktiven Innenentwicklung ist dabei auch die Sieldungspolitik der benachbarten Kommunen sowie die Kooperation im regionalen Kontext. 

Die Fläche der Allianz Oberes Werntal verteilt sich über den Landkreis Schweinfurt und den Landkreis Bad Kissingen. Für beide Landkreise war statistisch gesehen 2007 eine "schrumpfende" Entwicklung prognostiziert, d.h. die Zunahme der Bevölkerung durch natürliche Geburten und Zuwanderung ist kleiner, als die Abnahme durch Sterberate und Abwanderung.

Obwohl die Bevölkerung tendenziell abnimmt, steigt der Verbrauch der Siedlungs-und Verkehrsflächen an. Nicht mehr nur in den Ballungsräumen, sondern auch vor allem in den ländlich geprägten Regionen, ist in erheblichem Umfang der Verlust von Freiraum und seinen vielfältigen Funktionen für den Arten-, Biotop-,Landschafts-, Boden-, Klima- und Gewässerschutz zu verzeichnen. Gleichzeitig existieren große Innenentwicklungspontenziale aufgrund des wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Strukturwandels. Täglich gehen in Bayern rund 18 Hektar Wiesen, Weiden, Wälder und Äcker verloren. Das sind insgesamt mehr als 8.000 Fußballfelder im Jahr.

Die Grafik zeigt die relative Entwicklung der Bevölkerung und der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Bayern.

Das Modellprojekt - Partner, Ziele und Inhalte

Im Rahmen des Modellprojekte wurde deshalb erstmals in Bayern ein gemeindeübergreifendes Flächenmanagement eingeführt und erprobt. Neun der zehn Allianzgemeinden beteiligten sich, die Gemeinde Dittelbrunn war damals noch nicht Mitglied der Allianz.

Das Projekt- eine Maßnahme aus dem Aktionsprogramm des "Bündnis zum Flächensparen" in Bayern wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit (StMUG) finanziell gefördert.

Auftraggeber und betreuende Fachbehörde war das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU).

Die fachliche Bearbeitung erfolgte durch das Planungsbüro "Baader Konzept GmbH" (Gunzenhausen), in Kooperation mit den Architekten "Franke+Messmer" (Emskirchen).

Ziele des Modellprojektes und Projektschritte:

Erfassung der vorhandenen Baulandpotenziale im Bestand in den 42 Ortsteilen des Oberen Werntals
Insgesamt wurden 12 verschiedene Baulandtypen von Seiten der Gemeindeverwaltungen erfasst:

Im Ergebnis wurden  2.576 Flächen erfasst.

Durchgängig in allen Kommunen wurde mit 1.432 Datensätzen die Kategorie "Klassische Baulücke" am häufigsten erfasst.
Die nächst häufigeren Baulandtypen waren "Hofstelle mit Restnutzung" (440) und "Wohngebäude mit Leerstandsrisiko" (307).

Eingabe der erfassten Daten in die Flächenmanagement-Datenbank. Diese wurde im Verlauf des FLIZ-Modellprojektes entwickelt. Sie bietet den Gemeindeverwaltungen vielfältige Such-, Filter- und Auswertungsfunktionen für ein nachhaltiges Flächenmanagement. Die Datenbank ist mittlerweile bayernweit im Einsatz und wird von Seiten des LfU kontinuierlich weiterentwickelt und angepasst.

In einem nächsten Schritt wurde mittels einer Formel der zukünftig zu erwartende Wohnbaulandbedarf (bis 2020) errechnet und mit dem vorhandenen Innenentwicklungspontenzial verglichen. Das Ergebnis ist beeindruckend!

Es gibt zehnmal mehr Potenzial im Innenbereich als Wohnbaulandbedarf bis 2020.

Die folgende Tabelle zeigt die Saldierung des Wohneinheitenbedarfs aus äußerem und innerem Bedarf sowie abgeleitete Bedarfsflächen für Wohnbauland im Prognosezeitraum 2006-2020 für die Allianzkommunen.

Einschränkend ist anzumerken, dass nicht jeder Bedarf mit dem vorhandenen Potenzial übereinstimmt.

Eine Begleitung der Eigentümer durch Beratungs- gespräche hilft, die für die Bauinteressenten passende Lösung zu finden. Dabei besteht die Möglichkeit, Alternativen zu betrachten.

Das Ergebnis macht deutlich: 

Der Fokus auf die Innenentwicklung lohnt sich für die Allianzgemeinden des Oberen Werntals! Es gilt das vorhandene Potenzial gezielt zu aktivieren. 

Dabei hat eine planvolle Innenentwicklung auch immer die Erhaltung und den Ausbau der Qualität im Bestand zum Ziel. Neben dem Schließen von Baulücken und Brachflächen ist daher auch die Bewahrung und Entwicklung von Freiräumen und Grünflächen im Siedlungsbestand wichtig. Das Prinzip der "Doppelten Innenentwicklung" muss im Blick behalten werden.

Mit einem Fragebogen wurden Eigentümer angeschrieben und nach der kurz-, mittel- oder langfristigen Nutzung ihrer Grundstücke gefragt Die Befragungsaktion durch die Kommunen lief von Juli-September 2008. Insgesamt wurden 1.363 Fragebögen (auf Flurstücksbasis) versandt. Die Rücklaufquote lag im Durchschnitt bei 60,3%. 

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Allianzweit erklärten sich 237 Eigentümer von Baulücken und 40 Personen von Leerständen mit zusammen 24 Hektar bereit, ihr Eigentum kurzfristig verkaufen zu wollen. Das entsprach einem Anteil von 17,4% der Baulücken mit angeschriebenen Eigentümern. 6,6 % (90) Eigentümer gaben zudem an, ihr Grundstück in absehbarer Zeit selbst für eine Bebauung nutzen zu wollen. Ein erster großer Erfolg des Modellprojektes!

Mustervorlagen zu den Fragebögen der Eigentümeransprache enthält der Anhang des Ergebnisberichtes zum FLIZ-Modellprojekt.

Download

Um bei der Eigentümerbefragung möglichst gute Ergebnissezu erzielen,kommt es darauf an,eine intensiveBetreuung und Überwachung des Rücklaufes in den Gemeindeverwaltungsicherzustellen. Auch ist zu empfehlen, dieAktionzuvor über die Amts- und Mitteilungsblätter der Gemeinden sowieüber die Tagespresse mit anzukündigen. Einebegleitende Pressearbeit erhöht die Aufmerksamkeit und trägt zur Steigerung des Problembewusstseins in der Bevölkerung mit bei. Gleichzeitig wird die Bevölkerung dazu motiviert mitzumachen. Die Befragung der Eigentümer ermöglichte einen Einblick in die Gründe,die eineAktivierung und Nutzung vorhandener Bestandsgebäude undGrundstücken bisher blockieren.

Beratung und Hilfestellung durch die Gemeinde

Es ist wichtig, von gemeindlicher Seite eine Beratung und Hilfestellung anzubieten: In den Allianzgemeinden gibt es seither eine kostenlose Erstbauberatung durch einen qualifizierten Architekten. Durch die LAG Schweinfurter Land wurden "Innenentwicklungslotsen" in den Gemeindeverwaltungen ausgebildet, die die Bürgerinnen und Bürger vor Ort mit an die Hand nehmen und sie in allen Bereichen beraten.

Regelmäßige Wiederholung der Eigentümberbefragung

Es ist sehr wichtig, die Eigentümeransprache in regelmäßigen Abständen zu wiederholen. Damit kann die Verkaufsbereitschaft erneut abgefragt und aktualisiert werden. Der Kontakt zu den Eigentümern wird gepflegt und es wird nach außen hin deutlich, dass sich die Gemeinde um eine aktive Innenentwicklung bemüht und für die Ortskernrevitalisierung einsetzt.

Nutzung der Gebäude- und Immoblienbörse

Über den Landkreis Schweinfurt ist eine online Gebäude- und Immobilienbörse entstanden. Diese ermöglicht es privaten Eigentümern ihre Immobilien mithilfe der Kommune kostenlos zum Verkauf anzubieten. Interessenten erhalten einen schnellen Überblick über Angebote. Die Idee der Gebäude- und Immobilienbörse entstand im Rahmen des FLIZ-Modellprojektes. Eine Realisierung auf "größerer" Ebene durch den Landkreis macht mehr Sinn und dient dem gemeinsamen Vorhaben der Innenentwicklung. Die Gebäude- und Immobilienbörse informiert des Weiteren über gelungene Praxisbeispiele und gibt Förderhinweise.

Gebäude- und Immobilienbörse des Landkreises Schweinfurt

Die "Oerlenbacher Erklärung" entsteht

Im Rahmen des Modellprojektes wurde mit allen kommunalen Entscheidungsträgern der Allianz (Bürgermeister und Fraktionsvorsitzende) ein Workshop abgehalten, um die gemeinsamen Ziele der zukünftigen Siedlungsentwicklung festzulegen. Auf diesem Weg entstand die "Oerlenbacher Erklärung", eine gemeinsame Erklärung zum Flächenmanagement und der Innenentwicklung. Sie wurde von den jeweiligen Gemeinderäten per Beschluss verabschiedet. Die "Oerlenbacher Erklärung" gibt der zukünftigen Innenentwicklung Vorrang, vor einer weiteren Außenentwicklung und ist seit 2008 Leitbild der Interkommunalen Allianz Oberes Werntal. Die Gültigkeit der "Oerlenbacher Erklärung" wurde 2014 auf einem Strategieseminar an der Schule für Dorf- und Flurentwicklung von Seiten der Bürgermeister und Geschäftsleiter erneut bestätigt.

Oerlenbacher Erklärung

Übertragbarkeit und Fazit

Projektbegleitend wurden die Vorteile einer nachhaltigen Innenentwicklung in interkommunaler Zusammenarbeit aufgezeigt. Durch das Modellprojekt FLIZ verfügen die Allianzgemeinden über wesentliche Erkenntniszugewinne und Vorteile zur Bewältigung der mit der demographischen Entwicklung und der zunehmenden Entdichtung der Siedlungsstrukturen verbundenen Herausforderungen der Zukunft.

Die erprobten Erhebungs- und Aktivierungsstrategien für die Realisierung einer verstärkten Innenentwicklung bilden empfehlenswerte Maßnahmen für jede Kommune, die in ein kommunales Flächenmanagement einsteigen möchte.

12 Praxisbeipiele wurden beispielhaft überplant

Anhand 12 ausgewählter Grundstücke wurden Vorschläge zur Umnutzung und Sanierung ausgearbeitet.
Dabei wurden typisch fränkische Hofformen ausgewählt und deren Form und Siedlungsstruktur berücksichtigt.
Für die häufig vorkommenden Zwei- Dreiseithöfe konnten drei exemplarische Vorgehensweisen abgeleitet werden:

  • der Erhalt des Wohnhauses
  • die Erweiterung des Wohnhauses
  • der Neubau und die Schaffung zusätzlicher Wohneinheiten

Die Planungen orientierten sich an heutigen Wohnansprüchen nach mehr Licht, Raum und viel Platz. Auch berücksichtigten sie den vorhandenen Bestandswert der Immobilie. Die Schwerpunkte "Energetische Sanierung" sowie "Barrierefreier Umbau" wurden beispielhaft beplant. Alle 12 untersuchten Beispiele sind auch in einer Wanderausstellung zusammengefasst.


Eine Wanderausstellung entsteht

Zur Wanderausstellung gibt es auch eine Begleitbroschüre, die alle 12 Beispiele ausführlich beschreibt.

Begleitbroschüre
Die Wanderausstellung kann auf Nachfrage gerne in der Geschäftsstelle ausgeliehen werden. Sie tourte zu Beginn durch die Rathäuser der Allianzgemeinden und wird zu Messen und Märkten präsentiert.

Informationen zu Größe und Umfang gibt es in der Geschäftsstelle unter: 09726-907486 

Anbei Bildeindrücke der aufgebauten Ausstellung in den Rathäusern Euerbach und Poppenhausen.

Umfassender Projektbericht

Der umfassende Projektbericht des FLIZ-Modellprojektes liegt seit Dezember 2008 vor.

Abschlussbericht

Anhang zum Abschlussbericht

Die folgende Abbildung aus dem Abschlussbericht verdeutlicht die einzelnen Projektbausteine noch einmal im Überblick:

Ein weiterer Tipp zum Weiterlesen: Die Broschüre Flächensparen - rundum gut!

Das Bayerische Landesamt für Umwelt hat eine sehr interessante Broschüre herausgegeben, die Denkanstöße gibt und Informationen vermittelt.
Es werden gezielt Schritte vorgestellt, wie interkommunales Flächenmanagement gelingen kann. Auch enthält die Broschüre interaktive Links zu rechtlichen Rahmenbedingungen, zum Umweltschutz im Alltag, zu neuen Wohnformen und guten Beispielen rund um das Thema Flächensparen.
Broschüre